Die SPD-Fraktion Gemünden hat am 22.04.2021 mit drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung gegen den Bau der geplanten Photovoltaikanlage „Auf dem Heppenrod“ gestimmt. Dieser Entscheidung sind intensive, auch kontroverse Beratungen vorausgegangen, denn grundsätzlich stellt die SPD Gemünden die Ziele der Energiewende und damit den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung nicht in Frage. Allerdings ist man der Auffassung, dass für den weiteren Ausbau die bereits regional wie kommunal erbrachten Leistungen zu berücksichtigen sind. Dem Appell des Landesentwicklungsplans, regenerative Energien verstärkt zu nutzen, hat der Vogelsbergkreis durch extensiven Ausbau von Windenergie- und PV-Anlagen entsprochen.
Am 4. Mai 2021 hat Bürgermeister Lothar Bott gegen die Entscheidung der Gemeindevertretung Widerspruch eingelegt. Unter 2.3-1 des Widerspruchs wird darauf verwiesen, dass in Ermangelung von Vorranggebieten „Industrie“ auf Gemeindegebiet keine gleichwertigen Standort-Alternativen bestehen. Daraus wird gefolgert, dass man dann – um die Vorgaben des Landesentwicklungsplanes und des Teilregionalplanes Erneuerbare Energien Mittelhessen erfüllen zu können – eben auf Ackerland zurückgreifen müsse. Dieser Argumentation kann sich die SPD nicht anschließen. Für sie gilt: Wenn es kein geeignetes Terrain gibt, kann man keine PV-Anlage bauen. Die Umwandlung von wertvollem Ackerland, in einen Standort für PV-Anlagen, ist nach sorgfältiger Abwägung abzulehnen. Dass damit der Gemeinde Einnahmen entgehen könnten, muss nach Auffassung der SPD-Fraktion bei gewissenhafter Abwägung hingenommen werden. Unstrittig ist, dass „in den Vorranggebieten für Landwirtschaft(…) die landwirtschaftliche Nutzung Vorrang vor entgegenstehenden Nutzungsansprüchen“ hat und die „Agrarstruktur (…) für eine nachhaltige Landbewirtschaftung zu sichern und zu erhalten“ ist. Diesen Grundsätzen des Teilregionalplans Energie ist die Gemeindevertretung mehrheitlich gefolgt. Auch vor dem Hintergrund zunehmender Verknappung von wertvollem Ackerland zur Lebensmittelgewinnung hat sie damit die übergeordneten Interessen der Bürgerinnen und Bürger von Gemünden vertreten.
Der Kunstgriff, den Bau einer Flächen-Photovoltaikanlage als nur vorübergehende Um-Nutzung von 30 Jahren zu deklarieren, heilt den Eingriff in Natur, Landschaft und landwirtschaftlich genutzten Ackerboden nicht. Mit Ausnahme eines Atomkraftwerks vielleicht, lässt sich jedes Bauwerk problemlos zurückbauen. Wenn wir 30 Jahre als unbedenkliche Frist betrachten, wäre jeder Einwand gegen ein Bauwerk obsolet, denn alles, was wir bauen, besteht, so gesehen, nur vorläufig. Die vorgeschlagene Beweidung von Schafen wird gern angeführt, setzt aber einen engagierten Schafhalter, möglichst ganztägig verfügbar, voraus. Offensichtlich bestand in Ehringshausen bisher an Schafhaltung nur wenig Interesse. Ob jemand aus der Not eine Tugend machen möchte, steht dahin. Im Übrigen wird in den Internetforen der PV-Anlagenbetreiber bei der Pflege des Untergrundes sehr viel häufiger Roundup empfohlen als die Schafbeweidung, denn offensichtlich klettern Schafe gern und zerbeißen mitunter Kabel.
Bei der Frage der optischen Belastung wird im Widerspruchstext davon ausgegangen, dass eine optische Belastung nicht vorliegt, wenn die PV-Anlage vom Grundstück nicht zu sehen ist. Wie weit dies überhaupt der Fall sein würde, darüber können nur Anlieger Auskunft geben. Darüber hinaus trifft aber die optische Belastung jede und jeden, die/der die unmittelbare Umgebung des Dorfes zur Naherholung nutzen möchte. Zwar mag es zutreffen, dass Windräder durch die Bewegung der Rotoren belastender wirken. PV-Anlagen stellen dennoch einen technischen Eingriff dar und behindern damit, wie jedes andere technische Bauwerk auch, das mit Recht durch Baugesetz verhindert wird, die Erholungsfunktion von Natur und Landschaft. Auch hier hat die Gemeindevertretung die Interessen der Gemeinde vertreten, indem sie mehrheitlich zum Wohl ihrer Bürger entschieden hat.
Die Befürchtung des Bürgermeisters und der BGG , Gemünden könne durch eine demokratische Abstimmung seines höchsten Gremiums einen Vertrauensverlust erleiden und zum „unsicheren Kantonist“(AAZ vom 7.Mai) werden, zeugt von wenig Vertrauen in die kognitiven Fähigkeiten von Verhandlungspartnern. Unterschiede und Besonderheiten unterschiedlicher Projekte dürften sich in aller Regel mühelos kommunizieren lassen. Der Hinweis, Bedenken gegen die PV-Anlage hätten früher geäußert werden können, trifft zu. Es mag bedauerlich sein, dass die Planung in einem sehr späten Stadium gestoppt worden ist. Für die Qualität wie für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung ist dieser Umstand allerdings unerheblich. Wenn politische Entscheidungen zu treffen sind, müssen sie zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden. Die Gemeindevertretung hat mehrheitlich klug entschieden und wird sicherlich am 10.06. auch bei ihrer Entscheidung bleiben. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist auch für die SPD Gemünden ein Anreiz, ihre Anstrengungen zum Gelingen der Energiewende zu verstärken.
In einem Antrag, über den in der Gemeindevertretersitzung am 10.06. entschieden werden soll, schreibt die SPD: Der Gemeindevorstand soll beauftragt werden, gemeinsam mit der Beratungsstelle des Bündnisses “Hessen aktiv. Die Klima Kommunen“ einen Masterplan zur Umsetzung der Energiewende in Gemünden zu erstellen. Aus Sicht der SPD-Fraktion ist es, auch mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen über weitere PV-Projekte, unumgänglich, als Kommune einen Masterplan zu erarbeiten, in dem festgelegt ist, wie die Gemeinde dazu beitragen kann, dem Klimawandel zu begegnen, ohne dabei aber ihre ureigenen Interessen, wie z.B. den Schutz von Natur und Landschaft als Erholungsraum, zu vernachlässigen. In einem „Masterplan Energiewende“ soll die Gemeinde festlegen, welche Potenziale theoretisch bestehen (z.B. auch Einsparmöglichkeiten), welche konkreten Möglichkeiten es gibt, erneuerbare Energien zu erzeugen (verfügbare Grundstücke/ Dachflächen), und welche nach gründlicher Abwägung tatsächlich genutzt werden sollten. Auf der Basis dieser Fakten können transparente Entscheidungen getroffen werden, die eine größtmögliche Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde finden und damit einen nachhaltigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels bedeuten. Da die Gemeinde seit 2020 Mitglied im hessischen Bündnis der Klimakommunen ist, zu dem mehr als 250 Städte und Gemeinden gehören, bietet es sich auch an, die Angebote des Bündnisses zu nutzen.