Artikel aus dem Lauterbacher Anzeiger vom 26.03.2019
Landtagsabgeordneter Torsten Warnecke ist Gastredner bei SPD-Veranstaltung in der Lauterbacher Musikschule
LAUTERBACH (eig). Es war etwas anders als sonst beim Frühlingsempfang der Lauterbacher SPD. In den Vorjahren hatten sich verhältnismäßig zu wenige Gäste im verhältnismäßig zu großen Saal des „Johannesberg“ regelrecht „verloren“. Für 2019 wählten die Verantwortlichen daher einen anderen Ort: Die Räumlichkeiten der Lauterbacher Musikschule. In einer eher familiären Atmosphäre konnten die Lauterbacher Genossen dort am Sonntagnachmittag Torsten Warnecke als Gastredner begrüßen. Der SPD-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte sich unter anderem ein Thema ausgesucht, das momentan viele Bürger im Vogelsbergkreis besonders bewegt: Die Straßenausbaubeiträge oder kurz „Strabs“.
Als Gastgeber und Hausherr stellte Klaus Scheuer, Leiter der Lauterbacher Musikschule und daneben auch Stadtverordneter für die Sozialdemokraten, zunächst seine Einrichtung kurz vor. In diesem Zusammenhang merkte er kritisch an, dass wegen der Förderung einer privaten Konkurrenz ein Ungleichgewicht in der Behandlung der Musikschule durch die Stadt Lauterbach bestehe. Aus finanziellen Gründen könnten die Lehrer der Musikschule nur auf Honorarbasis arbeiten. „Dieser Zustand ist auf Dauer unhaltbar, da können Sie keine Fachkräfte hinter dem Ofen hervorlocken“, so Scheuer.
Das Finanzielle stand auch bei den Ausführungen von Torsten Warnecke zu den „Strabs“ im Vordergrund. Das Thema sei alles andere als lächerlich. „Es gibt Menschen mit eigenem Haus und einer Rente von gerade einmal 800 Euro, die auf einmal 10 000 Euro für eine Straßensanierung bezahlen müssen. Und das nur, weil sie im ländlichen Raum leben“, so Warnecke. Er führte ein Beispiel aus einer nordhessischen Gemeinde an, wo nach einer einem grundhaften Straßenausbau bis zu 90 000 Euro Kosten pro Grundeigentümer anfielen. Demgegenüber müssten Grundeigentümer in Frankfurt am Main, sofern dort Straßenausbaubeiträge erhoben würden, umgerechnet nur rund 50 Euro bezahlen, da die Zahl der Einwohner pro Straßenkilometer dort 200mal so hoch sei wie im ländlichen Raum.
Das Ziel der hessischen SPD sei ursprünglich gewesen, die Anliegerfinanzierung durch eine Veranlagung auf Gemeindeebene zu ersetzen. Die CDU-geführte Landesregierung habe sich demgegenüber mit ihrem Modell der abgegrenzten Abrechnungsgebiete wie einzelner Ortsteile durchgesetzt. „Dieses Verfahren sorgt aber in der Realität nur für Unfrieden“, führte Warnecke weiter aus. Das dritte Finanzierungsmodell neben den einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen, der Verzicht auf „Strabs“ und die Anhebung der Grundsteuer, sei nur theoretisch gerechter. Praktisch bedeute es, dass die jeweilige Kommune auf Kosten der Bürger reicher werde.
In seinem Redebeitrag zog Warnecke auch Vergleiche zur Situation in anderen Bundesländern. So habe es in Baden-Württemberg nie Straßenausbaubeiträge gegeben. Dort sorge vielmehr das Land für eine gute finanzielle Ausstattung der Kommunen. Mit Blick auf Hessen betonte er, es bleibe weiterhin das ausdrückliche Ziel der SPD, die Straßenausbaubeiträge vollständig abzuschaffen. Aus diesem Grund habe sie auch jetzt wieder einen Antrag im hessischen Landtag zur Abschaffung der „Strabs“ gestellt.
Den Plänen der hessischen Sozialdemokraten zufolge sollten die hessischen Kommunen einen finanziellen Beitrag vom Land erhalten. Er machte eine Rechnung auf: In Hessen gebe es etwa 26 000 Kilometer innerörtliche kommunale Straßen, bei Kosten von 38 Millionen Euro pro Jahr. „Für den Landeshaushalt im Ganzen ist das nicht viel Geld“, so Warnecke. Der Vorschlag der SPD würde zudem auch keine zusätzliche Bürokratie schaffen. Allerdings seien die tatsächlichen Kosten für die Unterhaltung und Sanierung der kommunalen Straßen eher bei 120 Millionen Euro anzusiedeln, da viele Kommunen in Hessen es in den vergangenen Jahren aus finanziellen Gründen hätten unterlassen müssen, ihre Straßen richtig zu sanieren.
Warnecke wandte sich im Anschluss der Argumentation von CDU und Grünen gegen die Pläne der SPD zu. So gäbe es die Behauptung, die SPD wolle in die Selbstverwaltung der Kommunen eingreifen. Weiterhin zitierte er eine Aussage des grünen Landtagsabgeordneten Markus Hofmann aus Fulda, wonach es bei dem Thema ja doch meist nur um „kleine Beträge“ unter 10 000 Euro ginge. „Der kennt seinen Wahlkreis nicht“, hieß es an dieser Stelle aus der Versammlung.
In der anschließenden Fragerunde warf Torsten Warnecke der schwarz-grünen Landesregierung dann eine grundsätzliche Unterfinanzierung des Landesstraßenausbaus vor. 7,44 Milliarden Euro betrage der Neuanschaffungswert aller hessischen Landesstraßen. Im Haushalt seien diese aber nur noch mit einem Wert von rund vier Milliarden Euro veranschlagt. Die Landesstraßen seien in einem erschreckend schlechten Zustand. Mit Blick auf die Kommunalwahlen 2021 vermutete er, dass die Landesregierung wohl noch vor der Wahl eilig ein Förderprogramm auflege, um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die „Strabs“ würden in diesem Fall aber sicher nicht abgeschafft und die Bürger vor Ort müssten hinterher noch mehr bezahlen.
Ein weiteres Thema von Torsten Warnecke war außerdem das SPD-Konzept der Grundrente. Die Grundrente solle den Menschen zugute kommen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet und niedrige Tariflöhne bekommen hätten. Insbesondere auch Frauen würden profitieren. Als Gast war auch die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel zum Frühjahrsempfang gekommen. Im Rahmen der Veranstaltung erhielt außerdem Moritz Müller, derzeit Webmaster für den SPD-Ortsverein Lauterbach und Stadtverordneter, sein Parteibuch feierlich überreicht. Die Lauterbacher Musikschule gestaltete den Frühlingsempfang mit Musikbeiträgen von Lukas Jakob sowie Christina Haag, Eva Rausch, Inga Rausch und Luise Sodtke (als Quartett) mit.