Frühlingsempfang: „Abgrenzung ist immer schädlich“

LAUTERBACH – Auch wenn draußen noch nicht so rechte Frühlingsstimmung aufkommen will, die SPD Vogelsberg zeigte sich in Lauterbach auf ihrem traditionellen Frühlingsempfang unbeeindruckt vom Wetter und blickte zuversichtlich aber auch mit kämpferischem Unterton ins "europäische Schicksalsjahr 2017", wie es Unterbezirksvorsitzender Swen Bastian mit Blick auf den erstarkenden Rechtspopulismus in den USA, Polen oder Ungarn und angesichts der Präsidentschaftswahl in Frankreich aber auch der im September anstehenden Bundestagswahlen formulierte.

Auch wenn Gastrednerin Herta Däubler-Gmelin, die ehemalige Bundesjustizministerin aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen musste, konnte Bastian ebenso kurzfristig einen anderen kompetenten Redner gewinnen, der den Genossen und ihren Gästen, darunter auch Landrat Manfred Görig (SPD), das zunächst recht sperrig klingende Thema "Unsere Demokratie in Zeiten der Globalisierung" mal in launigen, mal in ernsten Worten verständlich vermittelte: Matthias Körner, DGB-Geschäftsführer Mittelhessen und SPD-Bundestagskandidat "hatte eh vor zu kommen", und erklärte sich spontan bereit, das Spannungsfeld zwischen Demokratie und Globalisierung zu erläutern.

Ein "dickes Brett", wie der Redner freimütig zugab, das er aber geschickt zu bohren wusste. Er betonte, dass Demokratie einem permanenten Wandel unterworfen sei, dass es die Demokratie eigentlich gar nicht gebe. "Demokratie finde nicht mehr nur in Parlamenten statt, sondern auf sehr vielen Ebenen und auch im digitalen Raum. "Es gibt allerdings Merkmale, die nicht permanent zur Abstimmung stehen, etwa die Grundrechte oder die Gewaltenteilung." Letztendlich gehe es immer darum, absolute Macht zu begrenzen und zu verhindern und dafür zu sorgen, dass die jeweiligen Mehrheiten nicht die Belange der Minderheiten ignorieren könnten. Und das funktioniere, schlug Körner, die Brücke zur Globalisierung, nur in internationalen Kontexten, denn "Internationale Beziehungen, Regeln und Gesetze schränken absolute Macht, und schränken auch Despoten ein." "Manche Menschen sagen, "dass Globalisierung schlecht ist" und dass Staaten ihre Angelegenheiten am besten nur intern und in Abgrenzung nach Außen regeln könnten, ohne permanent auch auf die Belange "der Anderen" achten zu müssen, formulierte der Redner und ging so auch auf das Phänomen Rechtspopulismus ein, ohne dies explizit beim Namen zu nennen. Dies funktioniere aber nicht mehr, denn die Herausforderungen der heutigen Welt überstiegen die Möglichkeiten der Nationalstaaten bei weitem – sei es beim Umweltschutz, oder der Energiegewinnung. Nur offenen Gesellschaften und faire Handelsbeziehungen seien in der Lage, dem "Streben der Menschen nach Glück" gerecht zu werden. "Nur Gesellschaften in denen Herkunft, Rasse oder Religion dem individuellen Streben nach Glück und dem damit verbundenen Engagement nicht im Wege stehen, können langfristig bestehen."
Die EU sei hier ein – sicher nicht perfektes – Konstrukt, um dies den Menschen zu ermöglichen, geraden angesichts der vergangenen Weltkriege, an die allerorten in den Dörfern mit Gedenktafeln an die Gefallenen erinnert werde. "Diese Tafeln mahnen uns, den Frieden, den die Europäische Einigung gebracht hat, wertzuschätzen und nicht als selbstverständlich anzusehen. Allen, die am liebsten die EU verlassen würden, wegen vielleicht der einen oder anderen unsinnigen Verordnung oder Regelung, sei gesagt, dass mir zehn verschiedene Bananenkrümmungsverordnungen lieber sind, als Krieg", brachte es der Redner überspitzt auf den Punkt.

Gerade in der globalisierten Welt müsse Demokratie auch immer vor Ort funktionieren – egal ob im Vogelsberg oder im Nahen Osten. "Gelebte Demokratie ist nie perfekt und muss sich immer im Streit und im Konsens bewähren. Dazu benötige es Regeln, ebenso wie für die Globalisierung. Abgrenzung jedenfalls sei langfristig immer schädlich – ausnahmslos.
Der Applaus im Anschluss zeigte, dass dem DGB-Mann das Bohren des dicken Brettes wohl gelungen sein dürfte und man mental gestärkt ins weitere "europäische Schicksalsjahr 2017" treten kann.