
ALSFELD. Über ein solches Luxus-Problem "beschwert" sich Swen Bastian richtig gerne: Der SPD sind die Parteibücher ausgegangen! Zwei, drei Wochen kann es dauern, bis Nachschub aus Berlin kommt und die neuen Genossen im Vogelsberg das begehrte rote Büchlein in der Hand halten. Dieser Engpass kommt nicht von ungefähr, überall in Deutschland wollen derzeit Leute in die SPD eintreten – vom Schulz-Effekt ist die Rede. Denn: Kaum präsentierten die Sozialdemokraten mit Martin Schulz ihren designierten Kanzlerkandidaten, schon schnellten die Neuanmeldungen nach oben – so auch im Vogelsbergkreis.
Knapp 30 neue Genossen kamen jeweils im letzten und vorletzten Jahr dazu, erklärt Unterbezirksvorsitzender Swen Bastian im Gespräch mit unserer Zeitung. Das reichte zwar nicht, um die Austritte – genauer gesagt sind es Todesfälle – zu kompensieren, aber immerhin sah die Mitgliederentwicklung 2016 und 2015 besser aus, als in den Jahren vorher. Der Einbruch war mit Gerhard Schröders Agenda 2010 gekommen, viele Genossen hatten bundesweit ihr Parteibuch zurückgeschickt. Nicht verschont blieb von diesem Trend natürlich auch der Vogelsberg. Was blieb, war der "harte Kern", sagt Bastian. Neue Mitglieder kamen in der Folge nur selten hinzu. Grund genug für die Vogelsberger Genossen, aktiv zu werben, verschiedene Aktionen wie die Neumitglieder-Betreuung oder ein spezielles Frühstück durchzuführen. Somit kamen wenigstens die insgesamt 60 neue SPDler in den beiden letzten Jahren hinzu – laut Unterbezirksvorsitzendem ein Plus von immerhin 50 Prozent.
Das kann jetzt getoppt werden: Der zweite Monat des Jahres ist noch nicht rum, da zählt die Vogelsberger SPD schon zehn neue Mitglieder. Für die ländliche Region eine gute Bilanz, freut sich Swen Bastian. Und was ihn ebenfalls freut: Die SPD kommt endlich wieder bei den Frauen an. Während in den vergangenen Jahren vorwiegend Männer – meist zwischen 40 und 60 – eingetreten sind, sind bei den zehn Neuen im Vogelsberg diesmal sechs Frauen dabei. Auch an der Altersstruktur hat sich etwas geändert. "Die Hälfte ist unter 35." Früher war es eher schwierig, junge Leute für die Partei zu gewinnen, weiß Bastian nur zu gut, umso mehr freut ihn der neue Trend.
Der nur Martin Schulz zu verdanken ist? Naja, der Name wird schon genannt, zuletzt bei zwei Neuen in Alsfeld. Was Swen Bastian, der viel unterwegs ist in seinen Ortsvereinen, aber auch beobachtet: "Das gesellschaftliche Klima wird politischer." Unter Bundeskanzlerin Merkel und der Großen Koalition habe es wenig Diskurs gegeben, die Meinungslage jetzt ist laut Bastians Beobachtung eine andere. Die Genossen, so sagt ihr Chef, "haben Lust auf den Wahlkampf", wohl auch, weil plötzlich von einer "realistischen Chance" für einen Wechsel die Rede ist. "Die Motivation ist da", zeigt sich der Vorsitzende überzeugt. Die Partei-Eintritte für ihn sind sie da natürlich noch das "Sahne-Häubchen".