„Andere Parteien sind einer ernsthaften Diskussion aus dem Weg gegangen“

Swen Bastian

VOGELSBERGKREIS. Am Montag befasste sich der Parteikonvent der SPD mit dem Freihandelsabkommen CETA. Die Delegierten stimmten in Wolfsburg dem Leitantrag des Parteivorstands zu. Trotz großer Kritik am Abkommen im Vorfeld und zahlreicher Demonstrationen. Was der heimische SPD-Unterbezirksvorsitzende Swen Bastian davon hält, wollte unsere Zeitung wissen.

Es gab große Proteste im Vorfeld des Parteikonvents zu CETA? Haben Sie Verständnis für die Sorgen der Bürger?

Die SPD weiß selbstverständlich um die Kritik von Teilen der Gesellschaft und der Gewerkschaften und wir nehmen diese auch sehr ernst. Sachliche Kritik ist richtig und wichtig, um zu guten Entscheidungen zu kommen. Während andere Parteien einer ernsthaften Diskussion aus dem Weg gegangen sind, führt die SPD die notwendige Debatte über eine gerechte Handelspolitik offen und ausgewogen. Dabei geht es nicht um plakative Sprüche und vorschnelle Schlussfolgerungen, sondern um eine ernsthafte, faktenbasierte Abwägung. Die Kanzlerin und ihre Partei schweigen zu dem Thema. Die Union scheint nach dem Motto zu handeln, Augen zu und durch, ganz egal was Kanada will. Das halte ich für den falschen Weg. Berechtigte Kritik muss sich nicht nur in Erklärungen wiederfinden, sondern auch zu einer Veränderung der Politik führen. Daran arbeitet die SPD aktuell, auch wenn es anstrengend und nicht immer vergnügungssteuerpflichtig für die Partei ist.

Wie bewerten Sie persönlich das Handelsabkommen, für das Sigmar Gabriel ja wirbt?

Leider wird in der aktuellen Diskussion Vieles durcheinander geworfen, zum Beispiel das CETA-Abkommen mit Kanada und die davon strikt zu unterscheidenden TTIP-Verhandlungen mit den USA. Erreichte Verbesserungen werden von den Kritikern des CETA-Abkommen immer wieder negiert, was die Diskussion nicht einfacher macht. Doch klar ist, dass die Globalisierung faire und fortschrittliche Regeln braucht. Um Handel gerecht gestalten zu können, muss die Politik sich gegenüber den ungezügelten Kräften des Marktes behaupten und einen klaren Rechtsrahmen setzen. Genau das muss der Anspruch der SPD sein, national und international. Im Gegensatz zu TTIP konnten bei CETA auf sozialdemokratischen Druck hin zahlreiche Verbesserungen erreicht werden. So ist CETA inzwischen als gemischtes Abkommen eingestuft. Damit ist klar, dass sowohl das Europäische Parlament als auch die nationalen Parlamente beraten und ratifizieren müssen. Beim Investitionsschutz ist es auf sozialdemokratische Initiative hin gelungen, den Vertragstext zu verändern und erstmals überhaupt einen öffentlich-rechtlichen Investitionsgerichtshof anstelle der ursprünglich vorgesehenen privatrechtlichen Schiedsgerichte zu etablieren. Bei der Anpassung von Normen und Standards hat die SPD klar gemacht, dass Rechte von Parlamenten und Regierungen nicht eingeschränkt werden dürfen. In CETA wird ausdrücklich klargestellt, dass die Vertragspartner einen Dumpingwettbewerb ablehnen und Handelsziele nicht dazu dienen dürfen, Schutzstandards für Arbeit oder Umwelt auszuhebeln. In vielen Bereichen konnten fortschrittliche Regeln für den Schutz von Arbeitnehmerrechten, Umwelt, Gesundheit und für nachhaltiges Wirtschaften vereinbart werden. Die Vertragsparteien verpflichten sich etwa Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen zu unternehmen. Bei Vertragsschluss hatte Kanada zwei der insgesamt acht ILO-Kernarbeitsnormen noch nicht ratifiziert. Die neue kanadische Regierung hat nun erklärt, die beiden ausstehenden ILO Normen zügig zu ratifizieren. All das zeigt, dass die Verhandlungen sich lohnen, denn ohne die Vereinbarung von gemeinsamen Regeln würde auch künftig die Kraft des Marktes das Maß aller Dinge bleiben. Und das kann niemand ernsthaft wollen. Deshalb wäre es meiner Überzeugung nach auch falsch, CETA zum jetzigen Zeitpunkt scheitern zu lassen.

Sofern die noch offenen Fragen im weiteren Prozess geklärt werden können, bietet das die Grundlage für eine Zustimmung der SPD im Deutschen Bundestag. Wichtig ist hierbei, dass die nationalen Parlamente ausführlich beraten und umfassend prüfen können. Der Bundestag wird vor der Entscheidung im EU-Ministerrat über das Abkommen diskutieren. Nach einer positiven Beschlussfassung im Ministerrat ist dann der Weg für die weitere Behandlung und Ratifizierung frei, zunächst im Europäischen Parlament sowie anschließend in den nationalen Parlamenten, bei uns im Deutschen Bundestag und dem Bundesrat.

Wird eine Entscheidung für CETA die Position der SPD im Land weiter schwächen?

Da es im Land ganz unterschiedliche Interessen gibt, wird eine Entscheidung der SPD für CETA medial genauso kritisiert werden, wie eine Entscheidung gegen CETA. Die Partei ist deshalb gut beraten, ihre Position nicht von Stimmungen und Medienberichterstattungen abhängig zu machen. Leider haben wir schon viel zu häufig erleben müssen, dass vor einer Entscheidung medial in eine Richtung gearbeitet wird, und dieselben Verantwortlichen im Anschluss den Druck exakt in die gegenteilige Richtung lenken. Das ist zwar mehr als bedauerlich, sollte aber Anlass genug dafür bieten, Fragen immer inhaltlich zu entscheiden und nicht mit Blick auf mögliche Reaktionen oder strategische Winkelzüge. Man muss das tun, was man für richtig hält.

Im Falle eines Nein des Konvents: Stellt sich für den Parteivorsitzenden nach dem Scheitern seiner Pläne jetzt die Frage, ob er mangels Rückhalt Parteivorsitzender bleiben sollte oder nicht?

Es mag Menschen geben, die die hochkomplexe und umstrittene Sachfrage rund um CETA gerne mit der Personalfrage Sigmar Gabriel verknüpfen möchten. Das halte ich für groben Unfug und einen Fehler. Inhaltliche Entscheidungen und Personalfragen sind voneinander zu trennen und auch einzeln gründlich zu bewerten und zu entscheiden. Jeder der sich etwas anderes wünscht, verfolgt damit keine freundlichen Absichten.