
LAUTERBACH (bl). In manchen Situationen hilft nur Galgenhumor: So hat Lautertals Bürgermeister Heiko Stock ein Schild gebastelt, auf dem von einem Sonderopfer die Rede ist: Danach solle ab 2016 jeder Bürger seiner Gemeinde jährlich einen Euro für den Erhalt der Frankfurter Alten Oper spenden. Nicht nur Stock hat sich seine Gedanken gemacht um die Konsequenzen, die aus der überarbeiteten Neuberechnung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) 2016 zu ziehen sind. Danach verzeichnen alle dem Vogelsbergkreis angehörenden Städte und Gemeinden nochmals finanzielle Einbußen, während andere Regionen wie Südhessen oder die Mainmetropole Frankfurt profitieren (der LA berichtete).
SPD-Unterbezirksvorsitzender Swen Bastian hatte gestern Mittag zu einer Analyse des KFA-Modells geladen zu einer überparteilichen Runde und einem repräsentativen Querschnitt, wie er betonte. Die Möglichkeit dazu habe sich ergeben, weil am Vormittag die Bürgermeister aus dem Vogelsberg zu einer Sitzung der Breitbandinfrastrukturgesellschaft Oberhessen (BIGO) GmbH zusammengekommen waren. Neben Bastian fanden sich dann die Verwaltungschefs Susanne Schaab (Schotten), Heiko Stock (Lautertal), Sebastian Stang (Grebenhain), Dr. Olaf Dahlmann (Wartenberg), Lothar Bott (Gemünden/Felda), Matthias Weitzel (Mücke) und Professor Béla Dören (Homberg/Ohm) im Lauterbacher SPD-Büro ein. Der Finanzbedarf unserer Städte und Gemeinden ist viel zu niedrig angesetzt, bemängelte Bastian in seiner Einführung, zudem seien die Pflichtaufgaben der Kommunen nicht auskömmlich finanziert. Den Bürgern drohten weitere Leistungskürzungen und Steuererhöhungen eine Aussicht, die auch Lothar Bott, Vorsitzender der Vogelsberger Bürgermeister, äußerte, der zudem forderte, dass bezüglich der Kinderbetreuung der Personalaufwand als staatliche Aufgabe angesehen werden solle.
Sein Amtskollege Weitzel monierte, dass es fast schon als Majestätsbeleidigung erachtet werde, wenn man es wage, den guten Entwurf der Landesregierung zu kritisieren. Das Land gängele die Städte und Gemeinden immer mehr und bürde diesen immer weitere Aufgaben auf. Zudem bedauerte es Weitzel, dass die beiden heimischen Landtagsabgeordneten Eva Goldbach (Grüne) und Kurt Wiegel (CDU) bei Bürgermeisterdienstversammlungen zum Thema KFA betont hätten, sie würden die Anregungen mit nach Wiesbaden nehmen und nichts sei geschehen.
Der Flächenfaktor ist auch bei dieser überarbeiteten Version des KFA nicht berücksichtigt worden, unterstrich Bürgermeister Stock. Stattdessen würden die Einwohnerzahlen veredelt; ein Vorgehen, das nicht in die heutige Zeit passe. Das Missverhältnis spiegelten allein folgende Zahlen wider: der Regierungsbezirk Darmstadt werde mit 36 Millionen Euro bedacht, zwölf Millionen Euro entfielen auf den Regierungsbezirk Kassel, und für Gießen blieben rund 2,65 Millionen übrig. Im Übrigen sei es ein cleveres Vorgehen des Landes: Indem wir gezwungen werden, die Grundsteuer zu erhöhen, spart das Land an anderer Stelle ein.
Seine Schottener Verwaltungskollegin Schaab kritisierte besonders, dass durch diesen neuen KFA das Stadt/Land-Gefälle weiter manifestiert werde. Die Aussage des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer, wonach von der geplanten zweiprozentigen Höhergewichtung Grundzentren von 15 000 bis 50 000 Einwohnern profitierten, sei ein reines Feigenblatt und bringe dem Vogelsberg nichts, denn solche Kommunen gebe es in dieser Region nicht. Es wäre besser, den Kreis mit einem finanziellen Ausgleich dafür zu belohnen, was er für das ganze Land vorhalte. Hessen ist eigentlich ein reiches Land, konstatierte Hombergs Verwaltungschef Dören. Umso weniger könne er nachvollziehen, warum es diese derart gravierende finanzielle Differenz zwischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum geben solle. Wenn der Finanzminister von der kommunalen Familie spricht, dann provoziert er angesichts dieser Zahlen eigentlich ein Hauen und Stechen, so Dören.
Einen anderen Aspekt brachte Grebenhains Verwaltungschef Stang ins Spiel: Dieser KFA ist eine aktive Absiedlungspolitik aus dem ländlichen Raum, unterstrich er. Prozesse wie IKEK oder MORO, die vor dem Hintergrund des demographischen Wandels initiiert worden seien, würden somit eigentlich konterkariert. Wir müssen unseren Bürgern dankbar sein, dass sie sich ehrenamtlich in diese Prozesse einbringen, betonte er. Ohne dieses Engagement wären wir schon längst platt. Stang und sein Wartenberger Amtskollege Dahlmann nannten Bayern als Vorbild, wo schon seit Jahren versucht werde, Verwaltungsstrukturen in die Fläche zu legen.
Das Schlusswort blieb SPD-Chef Bastian vorbehalten: Wenn sich an der Vorlage nichts ändern sollte, dann könnte es zu einer erneuten Klage gegen das Land kommen.