„Erhöhung ist wie eine Mietsteigerung“

ALSFELD (hek). Kontrovers aber sehr sachlich und wenig politisch verlief die Bürger-Diskussion zum Thema "Grundsteuer rauf! Perspektive für Alsfeld oder Problem für die Kosten des Wohnens?" am Donnerstagabend im Marktcafé. Das attestierten selbst die Vertreter der politischen Kontrahenten von CDU und UWA, die zur Veranstaltung von SPD und ALA gekommen waren.

Dabei hätte das Thema Grundsteueranhebung bei gleichzeitiger Gewerbesteuersenkung gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Haushaltsberatungen in Alsfeld Stoff für reichlich politischen Schlagabtausch geboten. Zumal der Etat im Ergebnishaushalt dank höherer Schlüsselzuweisungen einen Überschuss von fast einer halben Million Euro aufweist. Darüber verwies Swen Bastian, SPD-Fraktionsvorsitzender in der Alsfelder Stadtverordnetenversammlung, denn auch zu Beginn. "Wir sind verwundert, dass trotz der hohen Einnahmen die Grundsteuer steigen und die Gewerbesteuer sinken soll." Deshalb sei es nicht nachzuvollziehen, warum bei der Gewerbesteuer 315 000 Euro weniger eingenommen werden soll, durch die von Bürgermeister Stephan Paule vorgeschlagene Senkung des Hebesatzes von 425 auf 399 Prozent, während die Grundsteuern A und B auf 560 Prozent steigen und etwa 480 000 Euro mehr einbringen sollen. Dies kritisierte er auch deshalb, da aus seiner Sicht die Grundsteuer "besonders sozial ungerecht ist, da sie eine Substanz besteuert, ohne Rücksicht auf die Einkommen".

Diese Kritik griff auch Karsten Schmidt, Rechtsanwalt vom Mieterverein Vogelsbergkreis auf. Die Grundsteuer, die von den Vermietern als Betriebskosten an die Mieter weitergereicht werde, sei für diese ein Teil einer "zweiten Miete". Und für sie sei eine "Grundsteuererhöhung wie eine Mietsteigerung, die sie sich nicht leisten können". Zumal die Mieter bei Steigerung von Verbrauchskosten wie bei Strom oder Heizung mit Verhaltensänderungen Einsparmöglichkeiten hätten. Nicht so bei der Grundsteuer, deshalb sei eine Erhöhung "ein falsches Signal".

Dass der von der Grundsteuererhöhung betroffene Personenkreis größer sei, als man annehme, darauf verwies Jens Nold, stellvertretender Vorsitzender der IG Bau im Vogelsbergkreis. Gerade auf den Dörfern gebe es viele alte Menschen, die "auf dem Bau, im Wald oder der Landwirtschaft gearbeitet haben und die nun von Altersarmut betroffen sind. "Sie haben sich ihre Häuser aus eigener Kraft gebaut und die trifft eine Erhöhung der Grundsteuer jetzt schwer."

Auf ein im Raum stehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer verwies Michael Riese, Fraktionssprecher der Alsfelder ALA. Das Gericht befasst sich mit den Einheitswerten von Häusern. Dieser wird derzeit für Alt- und Neubauten unterschiedlich festgelegt und deshalb deutet vieles darauf hin, dass das Gericht dies als ungerecht einstufen wird. Damit drohe nach Rieses Ansicht, dass der Einheitswert für alte Häuser steigen werde, und damit auch die Grundsteuer für diese Gebäude, da der Einheitswert die Grundlage für die Berechnung ist.

Einig waren sich die Redner und Gäste darin, dass es nicht darum gehen dürfe, Grundsteuern und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Vielmehr müsse es darum gehen, einen Weg zu finden, der allen gerecht werden könne. "Es geht darum Alsfeld als Arbeitsstandort attraktiv zu machen", formulierte dies der neue Alsfelder CDU-Vorsitzende Alexander Heinz. Ob der Weg dahin über eine niedrigere Gewerbesteuer führen soll, da dadurch Unternehmen eher für Ansiedlungen gewonnen werden könnten, oder ob es wichtiger sei, bei den Lebenshaltungskosten für die Menschen attraktiv zu sein, und die Grundsteuer nicht anzuheben, darüber wurde ebenso intensiv diskutiert, wie die von Marko Berg (UWA) aufgeworfene Frage: "Was machen wir: Investieren oder Schuldenabbau oder finden wir einen Ausgleich dazwischen?".