
VOGELSBERGKREIS. (jol). Die CDU-geführte Landesregierung lehnt jede Steuererhöhung ab, zwinge aber Kommunen dazu, Steuern und Gebühren nach oben zu schrauben. Das ist »pharisäerhaftes Gehabe«, wie SPD-Landesvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel beim Kreisparteitag der SPD am Samstag urteilte. Mit stehendem Applaus honorierten die Sozialdemokraten in Grebenhain die scharfe Kritik an der Landesregierung, die Städten und Gemeinden ihr Geld vorenthalte und einen Verfassungsbruch vorbereite. Mehr Geld für den ländlichen Raum aus dem Steuertopf fordert die Vogelsberg-SPD mit einer Resolution, die einstimmig beschlossen wurde. Dabei sollen Leistungen des ländlichen Raums, wie klares Wasser, saubere Luft und Erholungsraum, honoriert werden. Landrat Manfred Görig kündigte eine Klage gegen das Land an, wenn der Vogelsberg bei der Reform des Kommunalen Finanzausgleichs nicht besser gestellt werde (Bericht folgt).
Schäfer-Gümbel griff die scharfe Kritik von Grebenhains Bürgermeister Sebastian Stang an der Landespolitik auf: Stang solle den Landtagsabgeordneten Eva Goldbach (Grüne) und Kurt Wiegel (CDU) die Lage der Gemeinde vor Ort erklären. Wenn das viele Bürgermeister aus dem ländlichen Raum täten, könne sich eventuell etwas zu Besseren wenden. Schäfer-Gümbel sah akute Gefahren für den »sozialen Zusammenhang im Land«. Schwarzgrün spiele »ein bitterböses Spiel mit dem Kommunen« beim Kommunalen Finanzausgleich. Er befürchtet, dass die Kommunen übereinander herfallen und »debattieren, wer kriegt mehr von dem Zuwenigen«. Das Land habe bei der Abstimmung über die Schuldenbremse vor Jahren ausdrücklich die Kommunen davon ausgenommen. Da bereite »Schwarz-grün den Verfassungsbruch vor«. Unter Führung der Union versuche sie, die eigenen Probleme auf dem Rücken der Kommunen zu lösen.
Es habe 2011 einen Systembruch mit der Entnahme von 344 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich gegeben, dem Topf für die Kommunen. Der Staatsgerichtshof habe allein für Pflichtaufgaben 4,4 Milliarden Euro für notwendig erachtet, Finanzminister Schäfer gestehe 800 Millionen weniger zu. Es gehe aber nicht nur um Pflichtaufgaben, »sonst könnte man sich die Parlamente sparen«. Es müsse auch Geld in den Städten und Gemeinde geben für »freiwillige Leistungen«, Sportplätze, Schwimmbäder und Anlagen für Lebensqualität in den Orten. Die jüngst vorgelegte Berechnung des Finanzministers sei »eine der größten Lachnummern der letzten Jahre«. Nach dieser Berechnung, deren Grundlagen niemand kennt, bleibe der Kommmunale Finanzausgleich auf dem aktuellen Niveau von 4 Mrd. Euro »ein Schelm, wer Böses dabei denkt«.
Sport und Musik seien aber keine Aufgaben, die Luxus sind. Das seien Bereiche, die für die Entwicklung von Kindern sehr wichtig seien und die zur Attraktivität von Städten beitragen. »Wir reden sehr konkret über gleiche Lebensbedingungen in allen Orten Hessens,« so Schäfer-Gümbel. Hierfür müsse die Kürzung des KFA um 344 Mio. zurückgenommen werden.
Dieser Tage habe der CDU-Finanzminister eine Verschärfung des Sparkurses in allen Kommunen angeordnet, die nicht unter dem »Schutzschirm« stehen. Das treffe die Kommunen sehr unterschiedlich. Die Steuereinnahmen seien sehr unterschiedlich, nicht alle hätten so viel wie Eschborn. Zudem seien in Hessen inzwischen 52 Prozent aller öffentlichen Aufgaben bei den Kommunen. Das sei ein Spitzenwert in Deutschland, deshalb seien Vergleiche mit anderen Ländern so schief, erläuterte der stellvertretende Bundesvorsitzende. Dazu kämen »absurde Entscheidungen «wie die, die Zuweisung an die Kommune nach der Zahl der Bewohner zu bemessen. Da werde Schotten mit vielen Ortsteilen und einem sehr langen Kanalnetz gleich gesetzt mit Großkrotzenburg, das nur aus einem Ortsteil besteht. »Es braucht eine Flächenausgleich, damit der ländliche Raum nicht zum Restraum verkommt. « Dafür »wollen wir den Politikwechsel in Hessen«.
Die Hessen-CDU lasse seit 15 Jahren die Städte und Gemeinden im Stich. Die Hälfte der Landes-Verschuldung sei in dieser Zeit entstanden, »da sage mir noch einer, die Schwarzen verstünden etwas von Wirtschaft«. Zwar hätten sich die Grünen in der Koalition binnen sechs Monaten überraschend entwickelt, manche »von links unten nach rechts oben«. Aber der politische Gegner sei die CDU, die an der Basis so spreche und oben anders entscheide.
»Ich bin extrem ärgerlich über manches, was in der Debatte um Flüchtlinge gesagt wird, « betonte der Oppositionsführer in Wiesbaden. An erster Stelle müssten die Menschen stehen. Schäfer-Gümbel war »heilfroh, dass es viele Menschen gibt, die sich engagieren, um denen zu helfen, die durch die Hölle gegangen sind«. Aber die Städte und Gemeinden dürften nicht im Stich gelassen werden bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Für eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, brauchen Kommunen mehr Geld.
Scharf wandte er sich gegen »pharisäerhaftes Getue« der CDU, die in Berlin und Wiesbaden gegen jede Erhöhung von Kapitalertragssteuern auftrete, aber dann die Gemeinden zwinge, die Grundsteuern und Gewerbesteuern zu erhöhen. Die CDU sei »die Steuererhöhungspartei erster Güte aber an der falschen Stelle«. Die Entlastungen für Kommunen, die von der SPD in Berlin erstritten werden, müssen dort auch ankommen und nicht vom Finanzminister in Wiesbaden einkassiert werden. Es gebe einen Milliardenschweren Investitionsstau in der Republik, da muss mehr Geld in die Kommunen fließen.