
ALSFELD – (sgs). Eine Situation, wie sie sich in nahezu jeder Vogelsberggemeinde abspielen könnte: Nach dem Straßenausbau flattern Anliegerbescheide in die Briefkästen mit zum Teil horrenden Forderungen, fünfstellige Summen sind längst keine Seltenheit mehr. Grund genug, über die Art und Weise dieser Berechungen nachzudenken, und so sind auch im Vogelsberg beispielsweise im vergangenen Jahr in Grebenau erste Diskussionen angestoßen worden, wie solche finanziellen Belastungen überhaupt noch geschultert werden können. Wiederkehrende Straßenbeiträge ist das Stichwort, das am Donnerstagabend auch die Alsfelder SPD aufgriff.
Die können nach einer Gesetzesänderung jetzt auch in Hessen erhoben werden. Was es damit auf sich hat, darüber informierte der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias Eckert, gleichzeitig Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK), im Dorfgemeinschaftshaus Altenburg: Bei einer grundlegenden Sanierung oder einem Ausbau einer Straße werden nicht nur die Grundstückseigentümer rechts und links des Weges zu Anliegerbeiträgen herangezogen, vielmehr werden die Kosten auf alle Grundstückseigentümer in einem vorher festgelegten Gebiet verteilt. Das könnte ein eigenständiges Wohngebiet in der Kernstadt sein, ebenso ein Stadtteil. Ein Beispiel: Wenn die Schlossbergstraße in Altenburg saniert wird, würden dann nicht nur die zahlen, deren Grundstücke an genau dieser Straße liegen, sondern alle Altenburger Grundstücksbesitzer. Im Gegenzug würden die Schlossberg-Bewohner zur Kasse gebeten, wenn andere Straßen ausgebaut werden.
Was das konkret bedeutet, rechneten am Donnerstag Besucher aus dem Nachbarkreis vor: Nach einer Baumaßnahme seien Bescheide von bis zu 32 000 Euro verschickt worden; wären dort wiederkeherende Beiträge eingeführt worden, hätten alle im Dorf nur 100 bis 200 Euro bezahlen müssen.
Damit, das machten nicht nur Eckert, sondern auch seine Parteifreunde Florian Sauermann und Swen Bastian deutlich, hätten Kommunen ein Instrument an der Hand, um Baumaßnahmen auch in Zukunft finanzierbar zu machen auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Es gibt immer weniger Leute, die die Infrastrukturmaßnahmen bezahlen müssen. Irgendwann ist das nicht mehr zu schultern, warnte Bastian. Auch der Hessische Städte- und Gemeindebund empfiehlt die Einführung dieser wiederkehrenden Beiträge, ergänzte Sauermann.
In Alsfeld ist die Diskussion darüber am Donnerstag nun angestoßen worden so jedenfalls sollte die Informationsveranstaltung verstanden werden, betonten unisono Ortsvereinsvorsitzender Sauermann und Fraktionschef Bastian. Die SPD wird jetzt erst einmal intern über den neuen Bezahl-Modus sprechen, dann soll das Ganze mit den Bürgern diskutiert werden, kündigte Bastian gegenüber der OZ an.
Finanzieren
REFLEKTIERT – Die Woche im Spiegel – Oberhessische Zeitung vom 12.04.2014
von Sabine Galle-Schäfer
Die Zeiten, in denen es sich auf dem Land gut, und vor allem billig, leben ließ, sind vorbei – und zwar nicht erst nach dem enormen Anstieg der Energiekosten. Gerade die hohen Spritpreise treffen die Pendler, die hier nun einmal auf das Auto angewiesen sind und Unsummen ausgeben müssen, um an ihre weit entfernte Arbeitsstelle zu gelangen.
Mittlerweile entwickelt sich sogar das Wohnen in der tiefsten Provinz zum Luxus: Hier gibt es Dörfer, die haben weder Telefonzelle, noch Kaugummi-Automat, doch wenn der Alsfelder Haushalt durchkommt und die Grundsteuer auf 560 Prozent angehoben wird, dann sind dort im Jahr einfach mal eben im Durchschnitt 200 Euro mehr zu berappen.
Das lässt sich von den meisten ja durchaus noch verkraften, was aber gar nicht mehr zu finanzieren geht, sind mittlerweile die Straßenbeiträge. Fünfstellige Summen sind heute keine Seltenheit mehr. Da muss nicht nur die immer wieder zitierte "Oma mit kleiner Rente und großer Hofreite" passen, das können auch die junge Familie oder der Arbeiter mit Mindestlohn nicht mehr stemmen.
Eine Alternative könnten wiederkehrende Straßenbeiträge sein: Wird irgendwo gebaut, werden die Kosten auf viele verteilt. Das ganze Dorf zahlt oder alle in einem Wohngebiet oder alle in der Kernstadt.
Kein schlechter Vorstoß, wie ich finde. Denn: In Zeiten knapper Kassen und demografischen Wandels wird es darauf ankommen, gute Ideen zu entwickeln, um Leben auf dem Land noch finanzieren zu können.