Schwarz-Grün in Hessen: »Bürger zahlen die Zeche«

Die Bürgermeisterkandidaten Dirk Kurzawa (Lauterbach) und Dr. Olaf Dahlmann (Wartenberg) gemeinsam mit dem SPD-Kreisvorsitzenden Swen Bastian.

Vogelsbergkreis (jol). »Merkel und Bouffier lassen sich für das Verhindern von Steuererhöhungen feiern – die Zeche zahlt der Bürger vor Ort«, beschreibt Swen Bastian die politische Großlage. Beim Parteitag der SPD Vogelsbergkreis widmete sich der Kreisvorsitzende ausgiebig dem Ergebnis der Wahlen im Vorjahr und gab für Hessen eine düstere Prognose ab. Der »Herbsterlass« von Innenminister Beuth mache den Kommunen strikte Vorgaben für den Haushalt. In finanzschwachen Städten und Gemeinden müssten Steuern und Gebühren erhöht werden, bevor die Haushalte von der Aufsicht genehmigt werden könnten.

Das Land erfülle seine Pflicht nicht, die Kommunen finanziell hinreichend auszustatten, mache dann aber strikte Vorgaben. Ein Ergebnis sei, dass der Alsfelder Bürgermeister im Haushalt eine mäßige Anhebung der Gewerbesteuer, aber drastische Steigerungen der Grundsteuern vorschlug. Unternehmen sollten demnach in der verschuldeten Stadt 170000 Euro mehr beisteuern, von Privathaushalten sollten 1,1 Millionen Euro kommen, so Bastian.

In seine scharfe Kritik schloss er die hiesigen Landtagsabgeordneten ein, Eva Goldbach (Grüne) sei vom Tiger zum Bettvorleger mutiert und von Kurt Wiegel (CDU) sei nach der Wahl wie gewohnt nichts zu hören. So komme der ländliche Raum in der Landespolitik nur am Rande vor, da ähnele schwarz-grün der alten schwarz-gelben Koalition. Die Auflagen für den ländlichen Raum steigen, mit dem Drehen an der Abgabenschraube werde die Jugend dazu getrieben, in Ballungsräume abzuwandern.

Die Jahresbilanz Bastians war ein zentraler Teil des Unterbezirks-Parteitags in Lauterbach am Samstag. Zum Auftakt hatte sich Bürgermeisterkandidat Dirk Kurzawa vorgestellt, der in Lauterbach antritt. Ein Wechsel an der Stadtspitze sei ein Signal zum Aufbruch, sagte er und erinnerte an ein Projekt der Lauterbacher SPD. Dabei sollten junge Familien gefördert werden, wenn sie ein altes Gebäude sanieren. Das sei bei 300 Leerständen in der Stadt absolut sinnvoll, aber am Einspruch des Bürgermeisters gescheitert. Der Wartenberger Bürgermeisterkandidat Dr. Olaf Dahlmann will mit der Außenperspektive neues entwickeln und die Gemeinde zukunftsfest machen.

Die Formalien der Sitzung unter Leitung von Matthias Weitzel waren schnell erledigt: Schatzmeister Hans-Jürgen Herbst berichtete von rund 2000 Euro Defizit im Vorjahr. Nun stehe man mit einem höheren Betrag beim SPD-Bezirk Hessen-Süd in der Kreide. Im nächsten halben Jahr müssten sich die Ortsvereine darauf einigen, wie man gemeinsam diese Schulden abbaut, um handlungsfähig für die nächsten Wahlkämpfe zu sein. Bernd Herchenröder und Jürgen Adam hatten die Kasse geprüft und bescheinigten gute Führung mit viel Engagement.

Mit FDP ins Gespräch kommen

In seinem Jahresbericht äußerte Bastian nicht nur Kritik an der höheren politischen Ebenen. Er erinnerte zudem an ein arbeitsreiches Vorjahr mit Bundes- und Landtagswahlen. Da waren viele Info-Stände und Veranstaltungen zu verzeichnen, erfreulich die Präsenz der Parteiprominenz, die 15-mal im Vogelsberg vorbeischaute. Man erzielte ein überdurchschnittliches Ergebnis bei der Landtagswahl, wobei nur wenig zu einem Sitz im Parlament fehlte. Hinzu kamen Bürgermeisterwahlen in Alsfeld und Grebenau, die nicht wie gewünscht ausgingen. Schöne Feste feierte Sozialdemokraten zum 150-jährigen Bestehen der Gesamtpartei und zum 100-Jährigen der SPD Homberg.

Die politische Entwicklung bietet Möglichkeiten, mit der FDP wieder ins Gespräch zu kommen. Zumindest habe sich bei seinem Besuch des FDP-Jahresempfangs gezeigt, dass die Liberalen vom ausschließlich neoliberalen Kurs abrücken, so Bastian. Für die eigene Parteiarbeit kündigte er an, dass man sich mehr um die Mitglieder kümmern werde, ein Anfang war der Neumitglieder-Empfang. In diesem Jahr stehen die Wahl zum Europa-Parlament am 25. Mai und Bürgermeisterwahlen an.

Zur Europawahl ergänzte Jörg Gaudl, dass es zwei Besonderheiten gebe. So habe man mit Martin Schulz einen europaweiten Spitzenkandidaten, der aufzeige, welche Mitspracherechte das Parlament habe. Man solle für hohe Wahlbeteiligung werben, schon um die kleinen Parteien nicht zu stark werden zu lassen, die wegen der gefallenen 3-Prozent-Klausel Chancen haben. Diese seien oft gegen ein vereintes Europa.

Zum Parteitag teilte die AG 60plus mit, dass Vorsitzender Dr. Jürgen Burmeister von Wilhelm Hoch abgelöst wurde. Die Jusos wiesen auf ihren Einsatz im Wahlkampf hin, Vorsitzender ist Patrick Krug. Mit der Jungen Union habe man den Ring politischer Jugend wieder mit Leben gefüllt, einen überparteilicher Zusammenschluss. Für die Kreistagsfraktion berichtete Matthias Weitzel, dass die Koalition mit Grünen und FW gut arbeite. Die Bedingungen für den Sparhaushalt unter dem Schutzschirm wurden eingehalten, man habe nur geringen Spielraum. Für das Kreiskrankenhaus liegen nun Pläne zu Umbau oder Neubau vor, der Zuschussantrag beim Land sei gestellt. Breitbandversorgung und Schulsanierungen seien Schwerpunkte der Kreispolitik.