
Vogelsbergkreis (jol). Die Zeichen stehen auf Sturm in den Kindergärten, wenn die Wut der Erzieherinnen bei einer Diskussion zum geplanten Kinderförderungsgesetz (KiföG) derjenigen in den Kindereinrichtungen entspricht.
Mit 120 Teilnehmern war eine Veranstaltung der SPD am Montag in Reuters sehr gut besucht. Gerhard Merz, Fachsprecher der SPD im Landtag, stellte die Grundzüge des seiner Meinung nach »schlechten Gesetzes« vor, aber auch Erzieherinnen im Publikum zeigten sich erschrocken vom Gesetzentwurf der schwarz-gelben Landesregierung. So kündigten Erzieherinnen an, dass sie keine Zukunft in dem Beruf sehen, der ihnen viel Spaß bereitet. Aber größere Gruppen und mehr finanzieller Druck auf die Einrichtungen machten eine sinnvolle Arbeit vollends unmöglich.
Die Kritik von Gerhard Merz bei der Veranstaltung unter Moderation von Swen Bastian konzentrierte sich dabei auf den Ansatz des Gesetzes: Statt das Wohl der Kinder ins Zentrum zu rücken, werde eine betriebswirtschaftliche Optimierung von Kindertagesstätten vorgenommen. So solle künftig die Landesförderung pro Kind erfolgen, bislang wurden die Gruppen gefördert. Vorgesehen seien bis zu 25 Kinder pro Gruppe und wenn man weniger Kinder in einer Gruppe betreue, müsse der Träger die Zusatzkosten tragen. Das illustrierte eine Besucherin aus Mücke mit dem Hinweis auf ihre Gruppe von
20 Kindern, im Ort gebe es nicht mehr. Dann stiegen die Kosten für die Gemeinde, diese Verhandlungen werden unter dem Spardruck sehr schwer. Abzusehen sei, dass kleinere Kindergärten geschlossen und die Kinder mehr transportiert werden.
Merz sieht auch bei den Kleinkindern unter drei Jahren eine Verschlechterung, weil die Gruppengröße bis zu 16,6 Kinder betragen dürfe. Die Kita-Leitung müsse künftig »jeden Tag den KiföG-Rechner anwerfen, um zu ermitteln, wie der Betreuungsschlüssel ist«. Ein weiteres Problem sei die Berechnung eines Ganztagsplatzes: Da werden 42,5 Stunden pro Woche angesetzt, es gebe aber viele Eltern mit längeren Arbeitszeiten. Wenn ein Kindergarten länger geöffnet hat, steigen die Zusatzkosten. Um einen Kindergarten wirtschaftlicher zu betreiben, müsse sich der Träger an der vorgegeben unteren Grenze orientieren. Er kritisierte, dass bis zu 20% fachfremde Personen zur Betreuung eingesetzt werden könnten. Da müsse immer eine Erzieherin dabei sein, so die Vorgabe, aber was geschieht bei Krankheit oder Urlaub, gab er zu bedenken. Vielmehr versuchten CDU und FDP, den Fachkräftebegriff der Erzieherin mit fünfjähriger Ausbildung zu durchlöchern. Das Gesetz werde von CDU-FDP wohl vor dem Sommer im Landtag verabschiedet, die SPD wolle es nach einer gewonnenen Wahl zurücknehmen. Finanzierung: Aus der Abschaffung des Elterngeldes.
Im Publikum gab es keine, die dem Entwurf von schwarz-gelb etwas Positives abgewinnen konnte. Eine Besucherin meinte, »wir waren bisher zu leise, da werden wir überhört«. Eine Erzieherin betonte, sie arbeite in einer Regelgruppe, da gebe es schon jetzt viele Kinder, die besondere Hilfe benötigen. Wenn künftig Kinder mit besonderem Förderbedarf in die 25er-Gruppen aufgenommen werden, sei das nicht zu schaffen. Eine andere ergänzte, dass schon heute einige Kinder in Regelgruppen gewickelt werden müssten. Und wenn einige die Aufmerksamkeit der Erzieherin beanspruchen, könne man die übrigen nicht einfach in die Ecke stellen. »Wir sind schon jetzt am Limit bei der Betreuung«, meinte eine Kollegin.
Eine Elternvertreterin meinte, »die Erzieherinnen tun mir leid« und äußerte Verständnis dafür, wenn die Pädagoginnen am Donnerstag zur Demonstration nach Wiesbaden fahren. Eine Besucherin meinte bitter: »Kinder sind keine Akten, die man einfach in den Schrank stellt«. Eine Erzieherin ergänzte, dass sie eine Gruppe mit fünf Förder-Kindern und zehn ohne weiteren Förderbedarf habe. Diese Größe sei gut zum Arbeiten, das werde künftig unmöglich gemacht. Eine Kita-Leiterin aus Mücke betonte, dass sie keine Gruppe mit 25 Kindern bilden kann, mit dem KiföG würden dann nur noch 38 Wochenstunden gefördert statt aktuell über 70 Stunden. Eine Kita-Leiterin vermisste im Gesetzentwurf die Berücksichtigung von Vor- und Nachbereitungszeiten, »ich werde künftig grundsätzlich allein arbeiten«.
Gerhard Merz mahnte, es komme auf den Druck von unten an, welche Standards in Zukunft gelten sollen. Er wünscht sich eine Gruppengröße von 20 Kindern bei zwei Erzieherinnen (bisher 25 Kinder bei 1,75 Stellen). Dann könne man den Bedürfnissen der Kinder besser gerecht werden, auch den wenig beachteten Kindern ohne besonderen Förderbedarf. Aktuell liege Hessen bei der Finanzierung frühkindlicher Förderung auf dem letzten Platz im Vergleich der Bundesländer, so Merz.