„Kinder sind das Wichtigste, was wir haben“

Reuters (ti). Das geplante Kinderförderungsgesetz (KiFöG) der hessischen Landesregierung sorgt bereits seit längerem für Aufregung und sowohl Eltern, Erzieher als auch Politiker der Opposition sprechen sich vehement dagegen aus, da sie in ihm eine Qualitätsminderung für die Kinderbetreuung sehen. Auf Einladung von Swen Bastian, dem Vorsitzenden der SPD Vogelsberg, war Landtagsmitglied Gerhard Merz, der familienpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, nach Reuters gekommen, um die Möglichkeit zur Diskussion zu bieten. Und diese nahmen viele wahr – rund 120 Interessierte hatten sich im Saal des Landgasthauses "Ludwigshof" versammelt.

Für Merz war es die zehnte oder elfte Veranstaltung zum KiFöG. "Aber ich war überrascht, als ich diesen Saal betreten habe, denn es ist die größte Veranstaltung dieser Art. Das KiFöG hat alle zusammengebracht", betonte er. Er selbst kennt den Bereich Kindertageseinrichtungen aus vielen Richtungen.

Merz stellte das KiFöG in kurzen Zügen noch einmal vor, alle Förderbestände sollten in einem Gesetz zusammengefasst werden, damit es einfacher und transparenter wird, doch das habe so nicht geklappt. Und anders als von CDU und FDP behauptet, gebe es nicht mehr Geld. "Von den 425 Millionen Euro kommen 220 Millionen aus dem kommunalen Finanzausgleich, 48 Millionen vom Bund für die U3-Betreuung und 110 Millionen Euro kommen aus der Landeskasse, wobei das Land vom Staatsgerichtshof erst dazu verurteilt werden musste, das heißt es ist eigentlich weniger Geld als vorher. Wir müssen die Mär widerlegen, dass das Land aus freien Stücken soviel Geld gibt", machte Merz klar.

Ab 1. August besteht der Anspruch auf einen U3-Betreuungsplatz, auf diesen habe die Landesregierung zu spät reagiert, deshalb herrsche Fachkräftemangel. "Im KiFöG sind 20 Prozent fachfremde Fachkräfte vorgesehen, ein Begriff, den ich auch erst lernen musste. Ich dachte nämlich immer, als Fachkraft müsste man vom Fach sein." Er bekam zustimmenden Beifall aus dem Publikum. Denn der Fachkräftebegriff werde zu stark durchlöchert mit dem Interesse den Fachkräftemangel zu stoppen. "Doch die Fachkräfte brauchen eigentlich mehr Qualifikationen anstatt weniger."

Die Finanzierung erfolge pro besetztem Platz, es sei angeblich eine kindbezogene Förderung. "Aber eigentlich ist es eine platzbezogene Förderung. Das hat nichts mit Pädagogik zu tun, sondern das ist Betriebswirtschaft", betonte Merz. Denn wenn nach Plätzen bezahlt werde, sei der Druck besonders groß, die Gruppen auch voll zu machen, da man ansonsten Geld verschenke. Entweder verschlechtere sich die Qualität oder die Einrichtungen müssen mehr Geld aufbringen. Die Leiterinnen müssten also theoretisch ständig nachrechnen, wie alt die Kinder und ob die Gruppen richtig besetzt sind. "Das ist nicht unbedingt eine Vereinfachung", meinte Merz. Auch die Regelung der Inklusion kritisierte er, behinderte Kinder in einer gesetzlichen Regelung nicht zu berücksichtigen sei absolut inakzeptabel.

Im Anschluss hatte das Publikum die Möglichkeit sich zu äußern. Elke Staubach von der Kindertageseinrichtung "Lauterstrolche" merkte an, dass ihr im Gesetz Vor- und Nachbereitungszeiten für Erzieherinnen fehlten, ebenso wie Leiterinnenstunden. "Da bleibt ja Zeit für gar nichts mehr." Eine Erzieherin aus Schotten brachte ihre Wut darüber zum Ausdruck, dass nur noch über Zahlen gesprochen werde. "Wir sind doch nur noch eine Aufbewahrungsanstalt, wo bleibt denn das Kind? Normalerweise sind wir Erzieherinnen leise, aber jetzt tun wir endlich einmal was!"

Hier machte Merz deutlich: "Ich will Ihnen nichts vormachen, das Gesetz wird mehr oder minder unverändert so kommen. Die Frage, ob und was wir erreichen können, steht und fällt mit dem Grad der Mobilisierung. Sollte die SPD gewählt werden, werden wir dieses Gesetz ersetzen." Man kämpfe außerdem dafür, dass das Betreuungsgeld wieder abgeschafft werde, denn bei einer Verteilung über einen Schlüssel würde das für Hessen 120 Millionen Euro mehr bedeuten.

Elke Staubach gab auch zu bedenken: "Da werden uns ja noch mehr Erzieherinnen abwandern, denn wenn der Kindergarten in einem Jahr nicht voll belegt ist, dann muss ich Erzieherinnen entlassen, die mir dann vielleicht im nächsten Jahr fehlen." Ihre Kollegin Silke Kraft vom Musel-Wusel-Land Wallenrod warf ein: "Die Standards, die wir im Moment haben, sind ja schon nicht ausreichend." Otto Heinrich Winter, Schottener Kommunalpolitiker, hält den Einsatz von Nicht-Fachkräften für eine Frechheit. "Es gibt keinerlei Wertschätzung mehr für Erzieherinnen und das KiFöG ist ein Gesetz, das total für die Füße ist. Für jeden Mist ist Geld da, aber für unsere Kinder nicht. Dabei sind sie das Wichtigste, das wir haben." Das sorgte für viel Zustimmung beim Publikum. Eine Mutter zweier Kinder erklärte: "Ich rechne jetzt schon, ob mein Kind denn wirtschaftlich ist. Wenn man von diesem Gesetz hört, setzt man doch keine Kinder mehr in die Welt."

Doch natürlich kam auch die Frage auf, wie denn die SPD ein solches Gesetz umsetzen würde. Merz machte deutlich, dass er die Frage zu Integration und Inklusion anders lösen würde. "Wir wollen das Gesetz nicht am grünen Tisch machen, sondern diskutieren. So wie heute wollen wir alle an einen Tisch holen. Doch man muss sich bewusst machen, dass alles auch mit der Finanzierungsseite abgeglichen werden muss, wahrscheinlich wäre mit unserem Gesetz auch nicht jeder zufrieden." Doch die Bewegung, die jetzt da sei, müsse aufrecht erhalten, die Diskussion müsse mit pädagogischen Argumenten weitergeführt werden.

Doch manchen war die Aussage, dass gegen das Gesetz nicht viel zu machen sei zu wenig. Sie hatten sich Tipps erhofft, was man denn tun könne, um es zu verhindern. Aus den Zuschauerreihen kam der Vorschlag: "Tut Euch zusammen, macht die Kindergärten zu und fahrt nach Wiesbaden zur Demo." Welche Konsequenzen das aber haben kann, konnte Merz nicht mit Sicherheit sagen, das komme letztlich auf den Träger an.

Eine Erzieherin war bei einer Diskussion von verdi in Frankfurt und berichtete, dass FDP und CDU mit großer Arroganz aufgetreten seien. "Die haben alles abgeschmettert und die Erzieher so dargestellt als würden sie alles missverstehen." Und hier betonte Merz: "Ich habe nicht gesagt, dass es aussichtslos ist, verabreden Sie sich, bilden Sie ein Netzwerk, dann können Sie vor Ort auch viel erreichen. Die Kollegen von FDP und CDU sind extrem nervös, weil sie wissen, dass sie in der Defensive sind." Die Auseinandersetzung um die frühkindliche Bildung müsse weiter geführt werden.

Silke Kraft brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass dieses Interesse nach der Landtagswahl nicht verpuffe, Merz betonte, dass er glaube, dass die frühkindliche Bildung eine fundamentale Frage der Gesellschaft sei. Die ganze Fachwelt sei in Aufruhr, deshalb müsse man den Druck hoch halten.