Manfred Görig (SPD) feierlich ins Amt des Vogelsberger Landrates eingeführt

Der neue Landrat mit Ehefrau Andrea. Hinter ihm sitzend (von links) Fraktionsvorsitzender Matthias Weitzel, SPD-Kreisvorsitzender Swen Bastian und Bürgermeisterin Susanne Schaab.
Rudolf Marx, Manfred Görig, Jürgen Ackermann.

(OZ). Großer Bahnhof herrschte gestern im Wartenberg Oval. Über 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben verfolgten in Angersbach die festliche Kreistagssitzung, die mit erheblicher Verzögerung begann, da zunächst alle Besucher per Handschlag dem neuen Landrat gratulieren und dem scheidenden Landrat die besten Wünsche für den neuen Lebensabschnitt mit auf den Weg geben wollten. Neun Tage vor dem offiziellen Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit stand die Verabschiedung von Landrat Rudolf Marx auf dem Programm, ins Landrats-Amt eingeführt wurde Manfred Görig, der die Position ab dem 10. Juni bekleiden wird. Zudem wurden Peter Zielinski als Erster Kreisbeigeordneter sowie Cornelia Bothe und Gerhard Ruhl als Kreisbeigeordneten ernannt.

„Die große Zahl der Besucher verdeutlicht die Wertschätzung, die Landrat Rudolf Marx genossen hat“, betonte Kreistagsvorsitzender Jürgen Ackermann (SPD) in seiner Laudatio auf den 69-jährigen Christdemokraten. Er ließ die Vita des Romröders Revue passieren, der mit seiner Familie als Heimatvertriebener in den Vogelsberg, nach Angersbach, gekommen war. Sein Rüstzeug für Leitungsaufgaben habe der Landrat beim Bundesgrenzschutz bekommen, Werte wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Gradlinigkeit und Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn. Ackermann erinnerte an den Werdegang Marx’ in der Kreispolitik, dessen Weg zum zunächst stellvertretenden Landrat auch ein schmerzlicher für seine Partei gewesen sei, der emotionale Blessuren hinterlassen habe. Ackermann erinnerte an die Vielfalt der Themen, denen sich Marx nach seiner Wahl am 20. Februar 2000 stellen musste. Stets habe der Landrat bei der Einbringung der Haushalte darauf hingewiesen, dass die Landkreise strukturell unterfinanziert seien, insbesondere bei den Kernaufgaben Jugend und Soziales. Dieses Thema und das der hausärztlichen Versorgung habe er immer in den Gremien der Hessischen Landkreistages ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt.

„Erst mal gar nichts“, habe Marx’ Antwort auf seine Frage gelautet, was er denn nach dem 10. Juni den ganzen Tag machen werde, verriet Ackermann und sah bessere Zeiten auf dessen Ehefrau Karin zukommen: Sie müsse nun nicht mehr die Zeitung aufschlagen, um ihn zu entdecken. Zusammen mit Manfred Görig überreichte der Kreistagsvorsitzende dem scheidenden Landrat dessen Abschiedsurkunde.

„Danke für die schönen Worte, die waren nicht immer so“, richtete Rudolf Marx an die Adresse Ackermanns. Er habe als Landrat immer den Menschen helfen wollen. „Deshalb freute ich mich heute Morgen besonders, als ich die Zeitung aufschlug und die aktuellen Arbeitslosenzahlen sah. Wer Arbeit hat, kann ein selbstbestimmtes Leben führen“, sagte er und betonte, dass die diesbezüglichen Bestrebungen im Kreis Erfolge gebracht hätten und bezog sowohl Handwerkerschaft als auch IHK in das Lob mit ein, mit deren Begleitung und Hilfe insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit gesenkt werden konnte.

„Es ist mir eine besondere Freude, heute hier in Angersbach zu sein, wo ich vor 66 Jahren mit Mutter und Brüdern ankam. Wir hatten zunächst nichts und konnten in den Riedesel’schen Betrieben unsere Existenzen aufbauen“, erinnerte Marx. Erzählungen „aus meiner fast 55-jährigen Berufserfahrung“ wollte er dem Publikum in seiner Rede ebenso ersparen, wie Ratschläge, „die sowieso keiner befolgen wird“. Stattdessen sagte er Danke: „Meiner CDU: Wir haben uns gegenseitig getragen und manchmal auch ertragen“, den Kirchen und Sozialverbänden für die gute Zusammenarbeit, ebenso der Polizei für viele gemeinsame Projekte, den Vereinen, der Sparkasse und heimischen Energieversorgern, „durch die kommt bares Geld in die Region“. Mit dem Dank an Regierungspräsident Dr. Lars Witteck verknüpfte er in punkto erneuerbarer Energien auch mahnende Worte: „Sie sind wichtig, dürfen aber nicht ganze Flächen unserer Heimat zerstören. Bewahren Sie uns alle!“ Danke sagte er auch „seiner Verwaltung, die was kann“ und die auch mit ihm, dem zunächst ungewohnten CDU-Landrat gut zusammenarbeiten konnte, seinen langjährigen Sekretärinnen und Fahrern. „Adieu“ sage er der Politik und zu allen anderen „Auf Wiedersehen“. Mit lang anhaltendem Applaus und stehenden Ovationen würdigte das Publikum den Scheidenden.

Zusammen mit Jürgen Ackermann führte Rudolf Marx im Anschluss den 52-jährigen Sozialdemokraten Manfred Görig ins Amt des Landrats – „in ein sechsjähriges Beamtenverhältnis auf Zeit“ – ein und wünschte ihm „alles, alles Gute“.

„Gelegentlich Kontrahent im politischen Geschäft gewesen zu sein, hat uns nicht geschadet und uns nicht davon abgehalten, fair und auf Augenhöhe immer auch das Gemeinsame zu suchen“, würdigte der künftige Landrat seinen Vorgänger. Beide seien sich immer vertrauensvoll begegnet. Dass der neue und der alte aus Romrod kämen, sei einmalig. Viel wichtiger sei jedoch, dass der bisherige christdemokratische und der künftige sozialdemokratische Landrat ein „Vogelsberger Prinzip“ repräsentierten, „nämlich vorrangig auf die Sache, auf das Gemeinwesen zu schauen und erst in zweiter Linie aufs Parteibuch“. Beide hätten in den vergangenen Monaten einen „geräuschlosen Übergang“ hinbekommen, der nicht selbstverständlich sei, aber von den Wählerinnen und Wählern erwartet werde.

Görig zeigte sich überzeugt, dass trotz knappster finanzieller Möglichkeiten die Potenziale der Region bei Weitem nicht ausgeschöpft seien. Der Vogelsberg könne mehr, sagte Görig und skizzierte die Herausforderungen, denen er sich pragmatisch stellen wolle. Der demografischen Herausforderung könne getrotzt werden, der Vogelsberg sei mit dem Modellprojekt „Moro“ bereits auf einem guten Weg. Für eine neue Ausrichtung des Tourismus stehe der Geopark Vulkan Vogelsberg. Wichtig sei die Nähe zur heimischen Wirtschaft, auch um gemeinsam junge Menschen an den Vogelsberg zu binden, in dem ihnen von Politik und Wirtschaft Perspektiven aufgezeigt würden. Zur Chefsache werde er den flächendeckenden DSL-Ausbau machen, den Ausbau der Ganztagsschulen vorantreiben und sich dafür einsetzen, dass die Schulen in der Fläche erhalten bleiben. Als weitere Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit nannte Görig eine verlässliche Koordinationsstelle im Gesundheitsamt für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und die nachhaltige Sicherung des Alsfelder Kreiskrankenhauses. Klimawandel und Energiewende würden weitere Schwerpunkte des Handelns sein, Windkraft sei eine zentrale Ressource des Kreises. Wichtig sei jedoch, die Wertschöpfung daraus in der Region zu halten – etwa durch die genossenschaftliche Beteiligung der Bürger über die Energiegenossenschaft Vogelsberg. Als unverzichtbar für alle Bereiche nannte er die Einbindung der Jugend, die beispielsweise über Vereine gezielt gefördert werden könne. Bürgerschaftliches Engagement, wie es in den Dörfern noch vorherrsche, sei ein zentraler Katalysator für die Entwicklung in der Region. Wo eine lebendige Gemeinschaft herrsche, könne der Wegzug von Menschen gestoppt werden.

Als künftiger Landrat setze er auf den Dialog, der Schlüssel fürs Gelingen all der Baustellen sei. Görig kündigte zudem an, dass es künftig drei Dezernate geben wird, jeweils eins werde er dem Ersten Kreisbeigeordneten Peter Zielinski und Heinz Geißel zuweisen. Es werde keine zusätzliche Hierarchieebene geben, jedoch naheliegende Verknüpfungen von einzelnen Ämtern.

Gleich zwei Ernennungsurkunden für das Amt des Ersten Kreisbeigeordneten bekam der 39-jährige Lauterbacher Peter Zielinski (Grüne), da er das Amt ab dem 10. Juni bis zum 30. Juni zunächst ehrenamtlich und ab dem 1. Juli bis zum Ende der Legislaturperiode dann hauptamtlich besetzen wird.

Für die passende stimmungsvolle musikalische Umrahmung sorgte das Holzbläserquintett „Animato“ der Lauterbacher Alexander-von-Humboldt-Schule unter Leitung Wolfgang Scharrers. Mitglieder des Angersbacher Hausfrauenverbandes und die Landenhausener Landfrauen bewirteten die Gästeschar im freundlichen Ambiente, zu dem auch die Tischdekoration Christa Kerlys beitrug.