Seehofer steht für Fremdenfeindlichkeit

Rüdiger Veit

„Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich am Wochenende auf üble Weise fremdenfeindlich geäußert. Viele Menschen in unserem Land haben dies als Aufforderung zu einer rigorosen Zugangsbeschränkung für Türken und Araber missverstanden oder gar als Forderung nach einem generellen Zuwanderungsstopp. Da Seehofer offenbar bis zum heutigen Tag zu keiner wirklichen Richtigstellung weder willens noch dazu in der Lage ist, muss man fast dankbar dafür sein, wenn inzwischen selbst ein so konservativer Innenminister wie Uwe Schünemann aus Niedersachsen seinem CSU-Parteifreund „Populismus“ vorwirft. Das macht deutlich, wie weit sich der Ministerpräsident aus Bayern von jeder vernünftigen Debatte in diesen für unser Land so wichtigen Fragen entfernt hat.

Als Vorsitzender der Querschnitts-AG Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion kann ich hierzu nur sagen: Jeder, der sich vernünftig und unaufgeregt mit diesen Fragen beschäftigt, sollte zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass 2009 ca. 8ooo bis 9 ooo Menschen türkischer Abstammung in Richtung Türkei mehr auswanderten, als zu uns gekommen sind. So verlassen uns mehr und mehr gut ausgebildete, aufstiegsorientierte, bereits bestens integrierte Menschen. Wobei Deutschland längst eine Gesellschaft mit Fachkräftemangel geworden ist. Daraus sollte eine einfache logische Folgerung für alle nachvollziehbar sein: Wir müssen uns um eine weltoffene und tolerante Haltung bemühen und nicht eine Politik betreiben, die billigste Ressentiments bedient wie zum Beispiel ein Horst Seehofer.

Er und andere kehren zu alten Vorurteilen zum denkbar falschesten Zeitpunkt zurück. Seehofer führt gleichzeitig eine Symbolpolitik ad absurdum, mit der die Union seit geraumer Zeit versucht, Menschen mit Migrationshintergrund für sich einzunehmen. Aber wie glaubwürdig ist vor diesem Hintergrund ein Integrationsgipfel oder eine Islamkonferenz? Welches integra¬tionspolitische Zeichen setzt noch ein niedersächsischer Ministerpräsident mit doppelter Staatsbürgerschaft oder eine türkischstämmige Ministerin aus dem gleichen Bundesland?

Keines mehr, denn all dies verkommt von heute auf morgen zu leeren Symbolen, wenn sich Konservative in der Union derart migrationsfeindlich äußern.

Schon vor ein paar Wochen, als die Debatte um das unsägliche Buch von Sarrazin den Diskurs in der Gesellschaft Tag für Tag bestimmte, wurde viel integrationspolitisches Porzellan zerschlagen. Dabei muss man Sarrazins Äußerungen zur Eugenik charakterisieren und einordnen zwischen rassistisch, populistisch, menschenverachtend und krankhaft. Nicht mehr, nicht weniger. Die SPD hat sich davon mit allem Nachdruck distanziert. Vor allem sollte man einem Menschen, der sich auf diese schlimme Weise selbst disqualifiziert, kein weiteres Podium der Selbstdarstellung geben. Das hat auch Bundespräsident Christian Wulff so erkannt und sich deutlich distanziert. Aber auch dessen Bemühungen, Deutschland als ein weltoffenes und tolerantes Land darzustellen, in dem auch Muslime ihren Platz haben, werden nun durch diese jüngsten fremdenfeindlichen Äußerungen von Seehofer geradezu wieder umgestoßen.

Auch das derzeitige Regierungshandeln zeugt nicht von einer Willkommenskultur und konsequenten Integrationsangeboten. Die schwarz-gelbe Koalition hat bedauerlicherweise nicht einmal Gestaltungskraft genug, um 20 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln aufzubringen. Diese wären notwendig, um wenigstens für alle Interessierten Deutschkurse anzubieten. Zudem sollen die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ auf die Hälfte gekürzt werden. Für solches Versagen in der praktischen Integrationspolitik gibt es leider Beispiele genug. Ich will sie hier nicht weiter aufführen.

Der Schluss aber ist folgender: Erst bemühen sich die Konservativen um eine migrationsfreundliche Symbolik, dann wird von Rechtsaußen immer wieder eine populistische Stim¬mung geschürt. Schließlich hat die schwarz-gelbe Regierung nicht den Mut, diese Einlassungen und Entgleisungen zurückzuweisen. Und letztlich haben sie nicht einmal die Kraft, eine hilfreiche und notwendige Integrationspolitik im Detail zu gestalten. So verspielt man die Zukunft des Landes.“